Scotch Greens - Interview mit Hindernissen… oder …ein Konzertabend im Knaack…

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Ich weiß gar nicht, was ich immer falsch mache. Irgendjemand hasst mich. Ich meine, ich habe mal E-Technik studiert, arbeitete 5 Jahre lang im Radio und eigentlich dürfte ich mich auskennen. Aber regelmäßig kommt es vor, daß mein MD-Recorder irgendwelche Interviews nicht aufnimmt, die MD defekt ist oder letztendlich - wie gestern - das Ding ganz die Hufe hoch reißt… Dazu sitze ich jetzt im Zug und eine beschissene Bürotussi und ihr Prollfreund meinen, den ganzen Zug unterhalten zu müssen, BLÖD-Horoskope laut vorzulesen und ständig zu gähnen. Wissen die denn nicht, daß das dermaßen ansteckend ist und selbst der heißeste Kaffee (oder eben das Zeug, was es im Zug am Automaten gibt) nicht hilft.
Egal. Was war geschehen? Warum versuche ich hier unter richtig schlechter Laune hier etwas in die Tastatur zu hämmern? Nun, gestern habe ich mit das Beste Konzert dieses Jahres gesehen. THROW RAG, GOGOL BORDELLO und SCOTCH GREEN.

Gerade letztere haben mich mit ihrem im Januar erscheinenden Album im Vorfeld so sehr beeindruckt, daß ich mich ausnahmsweise mal FREIWILLIG dazu bereit erklärte und der Promoagentur versprach, ein Interview zu führen. Das konnte nur großartig werden. Zumal ich auch THROW RAG noch nie zuvor live gesehen habe, ihre Platten mir aber außerordentlich gut gefallen.

Es wurde auch gut. Bis auf die Tatsache eben, daß der MD-Player… Ach naja. Das hatten wir ja schon. Daher versuche ich einfach mal das Interview so wiederzugeben, wie es mein noch etwas biergeschwängerter Schädel hergibt.

Mit leichter Verspätung, so kurz nach halb sechs, traf ich am vereinbarten Treffpunkt, dem Knaack, ein und wurde - wie sollte es auch anders sein - von niemanden empfangen. Es war einfach niemand da. Tolle Wolle. Jedoch kam mir just in dem Moment, als ich mit meinem Trendy-Mobiltelefon (ja, die Dinger sind doch ab und zu für etwas gut) nach Amerika telefonieren und Gitarrist Wes anrufen wollte, der Gitarrist von THROW RAG entgegen und meinte, daß sich die ganze Bagage im Waschsalon, gleich neben dem Knaack, befinden würde. Häh? Ich dachte, Punker waschen sich nicht. Wie sich die Zeiten ändern…

Nun ja. Da waren sie dann doch alle und ich konnte mich mit Sänger Zander zurückziehen und bei einem heißen Kaffee (mein Gott tat der gut, nicht so beschissen wie der hier im Zug) ein lockeres Gespräch führen und ihn ein bisschen über die Ende der 90´er Jahre gegründete Kapelle zu befragen. Ja, wer sind eigentlich SCOTCH GREENS?

Nach einigen Besetzungswechseln ist das momentan Zander Cox (Gitarre, Gesang & mein Interviewpartner), Wes Walsworth (Gitarre), Russ Ellis (Banjo, Mandoline), C.J. Cnossen (Bass) und Luke Kristensen (Schlagzeug). Sie kommen aus Idaho und spielen… Naja, sagen wir mal eine recht coole Art von Folkpunk. Wobei hier die Betonung eher auf Folk liegt. Sie haben bereits eine Splt-7“, eine Live-LP und ein erstes Studioalbum veröffentlicht, welches hier in Deutschland schwierig bis gar nicht zu bekommen ist. Allerdings ist man zuversichtlich, daß man die Platte demnächst irgendwo noch mal auf Vinyl veröffentlichen kann. Wollen wir es hoffen. Diese ist noch etwas mehr folklastiger, wie mir Zander erzählte. Viele Instrumentals und so. Ja schade. Wenn jemand von Euch da draußen die Platte hat, kann er mir mal gern ein ganz unverbindliches Angebot zukommen lassen. Denn auch wenn es nur halb so gut ist wie das jetzige (wie gesagt, es erscheint Ende Januar) ist es einfach jeden verdammten Cent wert. Aber so lange genieße ich erstmal Album Nr.2. Schon der Opener ist ein Hammer. „Rumspringa“ nennt er sich, ist ein ziemliches Mosh-Stück und war auch zugleich der Opener des pünktlich um 21 Uhr beginnenden Konzerts.
Zwischenzeitlich war ich natürlich noch mal, nicht mal 10 Minuten entfernt, zu Hause und harrte der Dinge, die da passieren würden. Noch relativ spärlich gefüllt gaben sie aber gleich ihr Bestes und konnten von der ersten Sekunde an bei mir und auch einigen anderen Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. „Rumspringen“ war aber noch nicht so richtig angesagt. Das Stück versteht in good old America übrigens kaum jemand. So wie ich es verstanden habe, ist das Wort Slang und wird von zumeist Jugendlichen aus der Skaterszene benutzt. Dazu hat er sich noch ein paar Textzeilen zusammengeklaut und fertig war der Song, wie mir Zander mit einem spitzbübischen Lachen erzählte. Und das ist eigentlich der Punkt, auf den man die SCOTCH GREENS bringen kann. Man nimmt sich selbst nicht zu ernst, hat verdammt viel Spaß an der Musik, Bier ist auch da und gut ist. Eine sehr sympathische Mentalität. Dass sie aber infolgedessen auch keine Merchartikel (wie das erste Album zum Beispiel) mitgebracht hatten stimmte mich schon etwas traurig. Aber dem wussten sie schnell Abhilfe zu verschaffen. Denn weiter ging es im Set und auch der immer voller werdende Raum bzw. die Leute darin bewegten sich immer mehr.

Wen es interessiert - Mit Schottland haben die Jungs überhaupt nichts zu tun. Keine Verwandtschaft, nichts. Sie meinten nur, der Name passe eben zu ihrer Musik. Wieder diese Lockerheit… Sollte man gar nicht glauben, zumal „Professional“, so der Albumtitel, auf DRT, dem Label des ehemaligen DROPKICK MURPHYS- und jetzigen STREET DOGS - Sänger Mike McColgan erscheint (übrigens Ende Januar!). Auch sonst hat man mit der hiesigen Folkpunkszene, die in Amerika übrigens nicht sooo groß sein soll, wie die hier in Deutschland oder Europa (daher kommen die auch immer alles zu uns), nicht so viel zu tun. Es wäre auch ziemlich schwierig, sich da durchzusetzen, da sich mit den DROPKICK MURPHYS, REAL MCKENZIES, FLOGGING MOLLY, … schon ganz schön viele Acts in diesem Metier tummeln. Dies sah übrigens Mutti von Muttis Booking genauso. Und trotzdem lief „Professional“ bei ihnen im Büro in letzter Zeit auf Heavy Rotation, wie er mir versicherte. Daher kann ich mir vorstellen, daß wenn sie es klug genug anstellen, demnächst mit den anderen Bands in einem Atemzug genannt zu werden. Ich finde sie alles in allem sogar noch ein bisschen frischer, aber das liegt im Ohr des Zuhörers.

Und so wurde es voller und voller. Aha, dann kam das Titelstück des neuen Albums (Remember: Januar…). „Professional“. Ein Hit, der mir, zugegebenermaßen, erst beim zweiten oder dritten Mal hören erst so richtig ins Ohr ging. Live ist er aber die Wucht. Sie werden ihn aber auch schon oft genug gespielt haben. Denn das Stück fand sich, in textlich abgewandelter Form auch schon auf ihrem Debütlongplayer wieder. Dass sie es aber noch mal neu aufnahmen und sogar das Album danach benannten, liegt daran, so Zander (der aber nicht aussieht, wie ein Fisch), daß es das erste Stück überhaupt war, welches sie in der jetzigen Formation gespielt hätten. Und ja, es könne wirklich sein, daß sie momentan so professionell wie nie zuvor arbeiten…
Immerhin - es ist ihre erste Europatour… Das geht bei anderen schneller. Aber die SCOTCH GREENS sind nicht die schnellsten. Nicht nur, daß auf ihren Konzerten auch mal Platz für ein Instrumental bleibt, auch bei der Veröffentlichung der Scheibe ging es nicht so schnell. Wegen der Suche nach einem geeigneten Label hat es nun 9 Monate nach Mix und Mastern gedauert, daß sie das Licht der Welt erblicken kann. Aber gut Ding…. Ach Mensch, ich bin heut aber auch ein Sprücheklopfer. 5 Euro ins Phrasenschwein! Auf jeden Fall scheint die Tour, die zuvor bereits in Amiland unterwegs war, ein voller Erfolg zu werden. In jeder Hinsicht. Wenn alles gut geht, kommen die Jungs nach Veröffentlichung der Platte (das wird so in etwa im Januar der Fall sein) auch noch mal über den Teich. März, April. Das wissen sie noch nicht. Ein gutes Bier ist erstmal wichtiger. Im mittlerweile knüppeldick vollen Knaack werden sie fast mit stehenden Ovationen verabschiedet. Richtig so. Wenn das schon so ein Highlight war. Was würde dann noch kommen?

Nach sehr kurzer Umbaupause wusste ich, was kommen würde. Ein Punkrockmassaker der besonderen Art. Ich weiß nicht, was für Drogen der Sänger von THROW RAG nimmt. Aber schauspielerische Leistung kann das allein nicht sein. Wie ein Irrer sprang er auf, über, unter die Monitorboxen, schwang mehrmals bedenklich knapp das Mikrophon über die Zuschauer und verausgabte sich vollends. Gut, heute war ein Offday für sie. Aber ich würde danach mehrere Tage im Bett verbringen müssen. Das war einfach Punkrock pur. Und wenn es dennoch Show gewesen sein sollte. Sie kam verdammt echt rüber. Saugeile Liveband. Unbedingt ansehen!

Tja, und dann kam GOGOL BORDELLO. Nach gefühlten 30 Minuten Umbau, weil hier und da was nicht stimmte, betraten die, so wie man mir erzählte, zum großen Teil ukrainischstämmige Combo die Bühne. Die Stimmung war am Kochen, was auch zu einem nicht geringen Teil Ukrainer im Publikum lag. Die Mucke war schon ok und auch die Platte, die gerade in meinem portablen CD-Player kreist hört sich anständig an. Aber irgendwie war bei mir die Luft ein wenig raus. Nach den beiden vorangegangenen Topbands, konnte das, was jetzt kommen sollte einfach nichts mehr reißen. Die Optik vielleicht schon ein bisschen. So sah der Sänger dem Erkan von ERKAN UND STEFAN nicht ganz unähnlich. Weiße Wollmütze, Popelteppich, Adidas-Schuhe… Einfach göttlich. Auch der gelangweilt drein schauende Akkordeonspiele wusste mit seiner Jogginghose zu gefallen… Dazu 1.000 Effekte in der Gitarre… Die Show war schon ganz anständig. Vielleicht hatten sie aber auch nur einen schlechten Tag. Das ganze wirkte auf mich so professionell…

Machen wir es kurz, ich hatte den Eindruck, da stehen die PUHDYS des (tieferen) Ostens auf der Bühne. Ihr Gypsy Punk wäre sicher was für unsere Worldbeats-Anne gewesen. Ich hatte für diesen Abend soweit genug. Und apropos „professionell“. Da höre ich mir doch lieber noch mal das neue Album von den SCOTCH GREENS an. Das erscheint übrigens Ende Januar. Und. Äh, ja. Ich kauf mir mal morgen einen neuen MD-Recorder…