Ska im Park 2006

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"Na klar, na klar, wir alle lieben Ska!"

...so drücken es die Skatoons in ihrer Liebeserklärung an den Ska "Alle lieben Ska" aus. Und wem es so oder ähnlich ergeht, der war auf dem dritten Ska im Park Festival in Boizenburg an der Elbe genau richtig.
Das Line Up klang vielversprechend - The Skatoons, ShortFuseBurning, Nyabinghi und nicht zuletzt meine Bremer Lokalmatadore, die Mad Monks, würden ihren Senf dazu geben...

Die Anfahrt von Bremen ins mecklenburgische Boizenburg gestaltete sich relativ einfach und günstig dank Schülerferienticket und Second Hand MeckPomm-Ticket. Nach zwei Stunden Zugfahrt, den größten Teil davon in einem völlig überfüllten Regionalexpress neben einem grinsenden Pudel, erreichte ich mit meiner Freundin den Bahnhof Boizenburg. Von dort brachte uns das "Ska-Shuttle" zum etwas entfernten Stadtpark, wo die Party steigen sollte.

Im Park angekommen, war ich erstmal überrascht von der Größe der Location. "Größe" trifft es nicht ganz, "Kleine" klingt aber literarisch unwertvoll und ich will doch hier richtig anspruchsvoll und pädagogisch wertvoll und so schreiben... Also es versprach ein recht kleines, gemütliches Festival zu werden, was ja nun nicht unbedingt schlecht ist. Da ergeben sich doch ganz andere Beziehungen zu den Leuten. Rein platonisch gesehen natürlich.
Auf dem Zeltplatz standen neben unserem noch genau sechs Zelte; aber es war ja auch erst früher Freitagnachmittag. Ein Festivalorganisationsmensch verteilte gegen Eintrittsbezahlung von 12 € blaue Armbändchen, die er nach einer Viertelstunde wieder einsammelte und gegen ebensolche in neonorange tauschte. Letztere galten für das ganze Wochenende, die blauen nur für Freitag.
Die nächsten vier regnerischen Stunden verbrachte ich mit einem kurzen Abstecher nach Boizenburg-City, einem vorsichtigen Schnuppern an den noch recht sauberen Dixieklos und im Kampf mit dem Aldizelt. Schließlich stand letzteres mehr oder weniger sicher auf der nassen Wiese, und pünktlich zum Anspiel der ersten Band um halb neun schloss der Himmel seine Pforten.
Die Bands wurden vom Festivalveranstalter kurz anmoderiert und vorgestellt, so bekam ich vor dem jeweiligen Auftritt immer schonmal einen kurzen Einblick wer, was und woher. Gute Idee.
Den Anfang machte The Blue Beat Remedy, eine noch recht junge Band aus Hamburg. Spielten schönen Ska, sehr abwechslungsreich zwischen ruhigen und schnelleren Stücken. Einzig die Vocals kamen manchmal etwas kraftlos rüber. Eine Fangemeinde hatten die Jungs auch mitgebracht, und Bassist John tat nach vielen Aufforderungen den Gefallen, sich wenigstens teilweise auszuziehen.
Die zweite Band war Nyabinghi aus Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Musiker um den aus Togo stammenden Sänger Iron Leo spielten sehr abwechslungsreichen Reggae. Damit heizten sie die Atmosphäre auf und brachten eine ganze Menge Leute vor der Bühne in Bewegung. Im starken Kontrast zur vorigen Band riss besonders Iron Leo mit und machte mächtig Stimmung, nicht zuletzt durch seine wiederholte Gute Laune Bekundung "Irie!". Ein echt sympathischer Kerl.
Als nächste spielten Maskapone eine ziemlich coole Mischung aus SkaPunk und Rock"n"Roll, ein bisschen Rocksteady ist vielleicht auch mit drin gewesen. Sie selbst betitelten ihren Stil mit "Offbeat-Rock"n"Roll". Klingt komisch, ist aber so. Ist ja auch egal wie mans nennen mag, gerockt hat es auf jeden Fall. Mit Titeln wie "Cheer up", "Miracle" und "New Blood for the masses" spielten sich die Hannoveraner querbeet durch die eben genannten Stilrichtungen und legten ein paar Ohrwürmer ins Gehör. Sehr geile Band, von der man bestimmt noch viel hören wird.

Bevor die acht Jungs noch eine Zugabe spielen konnten, hatte sich schon jemand aus dem Publikum das Mikro gekrallt. Er stellte fest, was noch das gesamte Festival über bis Sonntagmorgen unangenehm auffallen sollte: nämlich dass überall auf dem Gelände Grüppchen von Neonazis herumkrebsten, die auch mit Pöbeleien nicht zurückhielten. Was solche Leute auf einem SkaFestival zu suchen hatten, ist mir schleierhaft. Ebenso, warum sie nicht des Geländes verwiesen wurden. Es kam zwar zu keiner größeren Auseinandersetzung, aber mehrere Leute berichteten von Faustschlägen und es gab eine sehr unschöne Aktion mit einem umgekippten Dixieklo. Das hätte ja nun echt nicht sein müssen.
Die letzte Band des Abends startete nach Mitternacht durch. Aber huch, was war das? Osterhase auf Abwegen? King Kong im Kleinformat? Keineswegs. Die beiden Trompeter von ShortFuseBurning. Wie ein Mafiaclan waren die Sechs schon den ganzen Abend im Grüppchen über das Gelände gepilgert, bevor sie mit kraftvollem SkaPunk die Bühne enterten. Leider hats mich mit meinem umnebelten Gehirn ziemlich schnell zurück zum Zeltplatz getrieben, wofür ich mir im nachhinein in den Allerwertesten treten könnte. Das wesentliche habe ich aber noch mitgekriegt. Die Jungs waren saugeil und dass die Trompeten den einen oder anderen Ton wohl nicht ganz getroffen haben fiel bei der Stimmung nicht auf. Schöne Gitarrenriffs, schöner Bläsereinsatz, schöne Vocals. Das habe sogar ich noch gehört. Also Kinners, nächstes Mal ne Ladung Kaffee gekippt und drangeblieben!

Am Samstagmorgen wurde ich liebevoll mit "Irene!!" Gebrüll geweckt. Der stimmgewaltige junge Mann mit seiner stolz präsentierten Leopardenfellmuster-Unterhose rannte mit Begeisterung von einem Zeltplatzende zum anderen und das das ganze Wochenende über. Ich mochte ihn trotzdem.
Wenig später erklang aus dem benachbarten Zelt der Maskapone Bandmitglieder ein leises "Ein Leben lang... diese Unterhose an..." und ich ging lieber frühstücken. Zwei mit je 90 Cent ja wohl überteuerte Brötchenhälften und einen Becher Milchkaffee später waren die Jungs schon mit dem Zeltabbau beschäftigt.
Im Toilettencontainer mit fließend Wasser machte ich mich frisch und hübsch für den Tag (naja... mehr oder weniger jedenfalls) und verschlief anschließend die meiste Zeit in der Sonne vor dem Zelt. Der Campingplatz war Freitagabend doch voller geworden, so ergaben sich noch ein paar flüchtige Bekanntschaften und sogar bekannte Gesichter schauten vorbei. Die Welt ist klein.

Als special guest war nachmittags das Lucky Bamboo Sound System am Start. Die beiden DJs legten mit anderthalbstündiger Verspätung ab 18 Uhr Reggaemusik auf, aber leider wollte keiner so richtig zuhören. Der Bühnenvorplatz blieb leer, nur zwei, drei Leute saßen auf der benachbarten Wiese. Ziemlich lustlos schlugen die zwei also die Zeit tot, versicherten trotzdem dass es ihnen viel Spaß gemacht hätte und machten die Bühne frei für die nachfolgenden Mad Monks.
Jaa, über die könnte ich mich jetzt in Lobhudeleien vergehen, hatte ich doch in der Vergangenheit schon ein paar mal die Gelegenheit die Bremer SkaPunker live zu erleben. Abwechslungsreich, schnell und tanzbar waren die produzierten Töne, und der eine oder andere Aussetzer tat dem Musikgenuss garnix. So lockten die fünf Bremer etliche Leute vom Zeltplatz vor die Bühne. Zum "Black Monk" fegten zwei Aushilfsmönche in braunen Kutten über die Bretter, und während "Mechiko" kniete das missionierte Publikum zunftgemäß einen Augenblick nieder, um danach noch ausgelassener zu tanzen und zu feiern. Das Set mit so ziemlich allen Titeln der CD "Welcome to Mad Monk Abbey" war viel zu schnell abgespielt, als Zugabe hatte sich das Publikum noch zwischen "Another One" und "Kein Schwanz ist so hart wie das Leben" aka "No Dick"s as hard as life" entscheiden dürfen - und nahm natürlich beides.
Eine dringend benötigte Verschnaufpause später ging es mit SKOP nicht weniger energiegeladen weiter. Die achtköpfige Band aus Schleswig-Holstein überzeugte mit einem Mix aus Ska, Pop, Rock. Daher der Name SKOP: "Ska meets Pop". Der Band gelang es, die gute Stimmung aufzugreifen, schön war auch der abwechselnde Männer- und Frauengesang. Erlebt man im Ska-Bereich doch irgendwie selten.
Weiter im Programm ging es mit meinem persönlichen Headliner des Festivals: den sagenhaften Skatoons aus Hamburg. Die zehn Jungs machten ihrem Namen als SkaPunkBand alle Ehre. Da blieb kein Auge trocken bzw. kein Bein stehen, die Titel der Platte "Einmal Ska und zurück" kamen durchweg gut an. "Alle lieben Ska" durfte ebenso wenig fehlen wie die etwas anderen Liebeslieder "Liebe versiegt" und "Mein kleines Mädchen". Den schon auf dem Zeltplatz angestimmten und vielfach geforderten Titel "Kotzen" hoben sich die Jungs bis zum Ende hin auf. Zwei Lieder des neuen, in Arbeit stehenden Albums gabs auch auf die Ohren.
Leider, leider musste auch dieser Auftritt mal zum Ende kommen, es gab schließlich noch zwei letzte Bands an diesem musikalisch-pädagogisch-kulturell sehr wertvollen Abend.
Nach kurzer Umbaupause ging es mit einem ganz besonderen Auftritt weiter: Dem der Ska- und Reggaeband Green Light and the Rocky Bretherens aus Luxemburg. Ob es nun die allgemein benötigte Erholung von den Skatoons war oder zeitraubende Einkaufstouren an deren CD-Stand oder ob einfach keiner der erste sein wollte - es blieb zunächst leer auf der Tanzfläche. Das ist mir unverständlich, aber nach einem kleinen Schubs kamen immer mehr Leute vor die Bühne und die Darbietung des Sängers gewann auch an Begeisterung. Die Ansagen war gut verständlich, da die Luxemburger ein sehr deutsches Englisch sprachen und einer auch etwas Deutsch. Alles in allem eine mir zuvor unbekannte, sehr coole Band mit einem sehr sympathischen Sänger, der irgendwie ein bisschen verpennt rüber kam und passenderweise schlafanzugähnliche Klamotten trug. Würde ich gern nochmal erleben.
Den Abschluss des Ska im Park Festivals bildeten Skavache. Die siebenköpfige Band scheint eine besondere Beziehung zu Kühen zu haben, traten doch die Bandmitglieder im Kuhkostüm oder zumindest teilweise kuhgemustert auf ("Make cows, not war!") Kultig auch die Kuhfell-Bassgitarre. Musikalisch überzeugten mich die Berliner allerdings nicht ganz, irgendwie sprang der Funke nicht so rüber. Beim überwiegenden Rest kamen sie aber ganz gut an, und so wars doch ein kuhler Abschluss.
Bis alles wieder zur Ruhe kam, wurde es früher Morgen. Die ersten Gäste, unter anderem ich, brachen schon wieder auf, um ihre Heimfahrtzüge zu erwischen. Leider verpassten wir unseren Bus und latschten so eine geschlagene Stunde zum Boizenburger Bahnhof. Auch den Zug nach Hamburg sahen wir nur noch von hinten, pennten daraufhin zwei Stunden am Bahnhof und ich beweinte meine notdürftig zusammengenähten Schuhe, denen dieses Festival endgültig den Rest gegeben hatte.
Also, das Ska im Park war ein mit 1100 Leuten zwar mäßig besuchtes, aber schön gestaltetes Festival in kleiner Runde mit hammermäßigen Bands. Bis auf kleine organisatorische Probleme lief es sehr entspannt, und wer Ska mag und die Möglichkeit hat, sollte nächstes Jahr ruhig mal vorbeischauen.
...da ich den Artikel schon mit einem Zitat der Skatoons eingeleitet habe, und weils so schön passt:

"Wir sagen Tschüß und macht es gut,
stay rebel and stay rude!"

Autor: Legolarsch