Tommy Tornado - Sunrise

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Mit „Sunrise“ veröffentlicht der in Europa hauptsächlich als Saxophonist von Rude Rich & the Highnotes bekannte Tommy Tornado ein Soloalbum, das es in sich hat. Er beweist damit nicht nur eine außergewöhnliche Virtuosität an seinem Instrument, sondern auch ein solides Händchen für Songwriting. Schon die Gästeliste der Platte spricht Bände.

Die Zeit der großen Namen im Reggae scheint vorbei. Raunte man bis in die 80er Jahre noch mit Erfurcht eine Stange von klangvollen Namen wie Don Drummond, Jackie Mittoo, Rolando Alphonso und Tommy McCook, so wird die Zahl begnadeter Musiker, die sich den jamaikanischen Rhythmen verschrieben haben (zwangsläufig) immer kleiner. Nur wenige der verdienten Virtuosen, so meint man, sind noch aktiv auf der Bühne zu sehen – Ernest Ranglin etwa und natürlich Rico Rodriguez. Was diese Überlegung aber außer Acht lässt ist die nachwachsende Generation, sind junge engagierte Künstler, die mit ihrer Hingabe durchaus in der Lage sind, aus der breiten Masse von Musikern herauszuklingen und den alten Hasen ab und zu sogar den Schneid abzukaufen. Hätte es eines Beweises für diese eben eingeführte Theorie bedurft, so hätte ich in einer Expertenrunde ganz einfach selbstsicher lächelnd und siegesgewiss die mir vorliegende Platte über den Tisch geschoben.
Mit „Sunrise“ veröffentlicht der in Europa hauptsächlich als Saxophonist von Rude Rich & the Highnotes bekannte Tommy Tornado ein Soloalbum, das es in sich hat. Er beweist damit nicht nur eine außergewöhnliche Virtuosität an seinem Instrument, sondern auch ein solides Händchen für Songwriting. Schon die Gästeliste der Platte spricht Bände (diese Namen machen sicher nicht bei jedem Projekt mal eben mit), vereint sie doch z. B. mit Winston Francis, Ernest Ranglin und Winston Reedy ein kleines who is who der lebenden Reggaeszene. Selbstverständlich darf dann the Man from Wareika mit seiner Himmelsposaune nicht fehlen und sogar Dennis Alcapone kräht mit einem seiner berühmten Songopenings das Album ein. Der sehr entspannte Grundtenor der Platte umfasst dabei weit mehr als Reggae. Tommy Tornado schickt seine Hörer auf eine pfundige Reise durch die Weiten zwischen Rocksteady, Jazz, Soul und Dub mit satten siebzehn Stationen, die allesamt sehr viel Spaß machen. Das passt gut zu dem sanften Wellenschlag an die wettergegerbten Planken einer vierschrötigen Barke, an Board eine in zahlreichen Jahren gereifte Pulle Jamaika Rum, aber genauso gut zu einer regnerischen Nacht in Georgia. Andere wiederum werden von den süßesten Vibes seit der Erfindung von Ken-Boothe-Schokoladenfiguren sprechen. Wer besonderen Wert auf musikalische Lokalisierung legt, wird mit den Eckkoordinaten Victor Rice, Rotterdam Ska-Jazz Foundation, The Senior Allstars und natürlich Rude Rich & the Highnotes gute Ergebnisse erzielen, wenn er/sie die enorme Lust und Kreativität am Saxophon und das Gespür für den richtigen Moment mit einrechnet. Die Platte versammelt überwiegend Instrumentals, die aber so abwechslungsreich komponiert sind, dass sie nur äußerst selten einen Sänger vermissen lassen. Einzig das Cover kommt als graphisches Hawaiihemd mit urbanem Graffiti im Hinter- und schrottiger Typographie im Vordergrund etwas seltsam daher. Zusammen mit dem Albumtitel „Sunrise“ leuchtet mir die optische Aufmachung ein wenig zu sehr in Richtung Gute-Laune-Enklave, aber, und dafür ist die Platte selbst der beste Beweis, there’s also sad songs in offbeat. Und diese gehen, wenn irgendwer meine Meinung hören möchte, umso mehr ins Ohr. Musikalisch ist „Sunrise“ sowieso von ganz großen Eltern und ich bin mir sicher, wenn die Sonne dann erst einmal blutheiß in der Spree versinkt, ruft es von der Oberbaumbrücke noch stundenlang aus heißeren Kehlen „Pempelem“ (vielen Dank übrigens für die geniale Coverversion dieses extrem seltenen 60s-Knallersongs von Azie Lawrence) bis sich erst sehr viel später die Letzten zu den Klängen von Ruff & Tuff lässig in den wohlverdienten Schlaf getanzt haben. Ich bin gespannt, wann die nächste Tour ansteht.

Das Album erscheint sinniger Weise auf dem Bandeigenen Label von Rude Rich & the Highnotes.