4Lyn - take it as a compliment

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„Ich will, dass Ihr Euch weh tut!“ Das war meine erste Begegnung mit den damals noch ziemlich unbekannten 4Lyn. Ich war damals (Naja, 2001 halt) auf einem schönen, kleinen und intimen Festival. Ich stand knietief im Schlamm und wartete reichlich alkoholisiert darauf, irgendwie harte Musik zu hören, scheiß egal was... Mein Vordermann hatte die Aufforderung, mit der 4Lyn auf die Bühne geschrien kamen, wohl etwas zu ernst genommen und schleuderte mir postwendend seinen Hinterkopf auf meine Nase (und die ist leider nur allzuleicht zu treffen). 4Lyn begann also in meiner Wahrnehmung mit Schmerz. (rock and roll!) Tja, irgendwie passte das einfach zur Zeit, und ich muss zugeben - auch weil ich ein paar Monate später rein zufällig, ohne ihn zunächst zu erkennen (wie gesagt, damals waren die noch nicht so bekannt), ein Schwätzchen mit Sänger Braz abhalten durfte, der sich als sehr sympathisch entpuppte - Jedenfalls, ich gewann die Band irgendwie recht lieb.
Und trotzdem, als ich die mittlerweile dritte Platte der Hamburger Jungs zum reviewen bekam, dachte ich: „Na das passt ja nun überhaupt nicht.“ 4Lyn standen eine ganze Zeit lang par excellence für den schnellen Nu-Metal-Aufsteiger mit zusammengestohlenen Ideen: Ein bisschen Rap, so leicht mit der Stimme Fred Dursts zu verwechseln, ein bisschen Geschrei im Stile Chino Morinos und ja, sogar von Blur wurde geklaut, schimpfte man, nämlich der „Text“ der ersten Singleauskopplung „Whooo“. So oder so ähnlich kritisierte das stilbewusste Publikum 4Lyn als Band mit der Individualität einer Cola-Dose, die sich zusätzlich noch durch exzessives Touren mit Kommerz-Retorten-Bands (wurde das eigentlich schon bewiesen?) wie Pappa Roach unbeliebt machte.
Und nun sitz ich da und hab trotzdem reingehört. Und es hat mir nicht schlecht gefallen. Woran lag's? Die Band hat sich in ihrer über vierjährigen Bandgeschichte ganz schön entwickelt. Schon auf dem zweiten Album „neon“ bewies Braz seine beachtliche Stimmgewalt, mit der er sich auch als Sänger bewähren und auf pubertäres Rap-Poser-Gebären verzichten konnte. Hartgesottene Gegner der Band werden es mir zwar immer noch nicht abnehmen, aber spätestens seit dem mehr als gelungenen Ramones-Cover „Blitzkrieg Bop“ auf der Single „hey ho, let's go“ glaube ich an das Können der Band. Mehr Stimme, mehr Harmonie, mehr Abwechslungsreichtum und immer noch eine ordentliche Portion Druck. Und schließlich und endlich ist 4Lyn eine der wenigen Bands aus Deutschland, die sich auch auf dem internationalen Musikmarkt durchsetzen könnten - verdient, meiner bescheidenen Meinung nach. Take it as a Kompliment!
Was die Punkteverteilung angeht, lasse ich diesmal einfach rücksichtlos meinen Schlendrian raushängen und pfeife drauf. Ich wüsste auch gar nicht, wo ich da eine geeignete Messlatte herziehen sollte. Entschuldigung, können sie mir vielleicht helfen? Wo krieg' ich besoffener Hund um die Uhrzeit noch eine Messlatte her...